Die kleine Welle und der große Ozean
Es ist ruhig an diesem Nachmittag im Januar. Wenige Autos passieren die Straße vor dem Hospiz. Die vereinzelten Fußgänger setzen sehr vorsichtig ihre Schritte. Aufgrund des plötzlich einsetzenden Eisregens sind auch manche Angehörigen und Ehrenamtliche vorsichtshalber zuhause geblieben. Das geplante Akkordeonspiel und das Angebot „Betthupferl“ sind zwar nicht zu ersetzen, doch es entsteht die Idee, spontan einen Geschichtennachmittag anzubieten. Diese Angebote bereichern oftmals den Hospizalltag unserer Gäste, tragen zur Lebensqualität bei, und werden gerne freudig und dankbar angenommen.
Die kleine Welle und der große Ozean.
Die Abenteuer einer Welle, die Angst vor dem Wasser hat.
Zu einer Reise ans Meer lädt die kinderleichte und zugleich tiefgründige Geschichte ein, die die Sozialpädagogin des Hospizes, Frau Trabel, für diesen Nachmittag ausgesucht hat. Ein Gast nimmt entspannt in seine warme Bettdecke eingekuschelt teil und genießt es sichtlich, in dieser gemütlichen Atmosphäre etwas vorgelesen zu bekommen. Die Stelle im Text, in welcher sprühende Regenbögen in der Gischt leuchten, gefällt ihm besonders gut. Diese weckt nämlich Erinnerungen an die wunderbaren Regenbögen hinter seinem Haus, was in ihm ein Glücksgefühl und Zufriedenheit auslöst. Ein seit langem verheiratetes Ehepaar freut sich auch schon darauf, im Wohnzimmer der Geschichte zu lauschen. Sie erzählen davon, wie sehr ihr längst schon erwachsener Sohn Märchen und Geschichten liebe und diese immer noch erzählen könne.
Die heutige Geschichte der Welle, die Angst vor dem Wasser und unerwarteten Vorkommnissen hat, und sich gegenüber den großen Wellen minderwertig fühlt, berührt und belustigt zugleich.
In witzigen Dialogen mit einer Möwe, einem Stück Treibholz, einem Fisch und einer riesigen Welle wird klar, dass es der kleinen Welle gar nicht bewusst ist, dass sie selbst Wasser ist - einzigartig und zugleich unverzichtbarer Teil des großen, kraftvollen Ozeans.
Im Anschluss an die Geschichte berichten die Eheleute schmunzelnd von den inneren Bildern, die die Geschichte in ihnen hervorgerufen hat und von ihren Erlebnissen am Meer.
Ein hoffnungsvolles Bild taucht wieder aus ihrer Erinnerung auf. Das Glitzern der Wellen der vollkommen ruhigen Nordsee in der Abendsonne.
„Die kleine Welle und das große Meer“ von Andrea Liebers ist ein Bilderbuch für Kinder und Erwachsene.
Text: Susanne Trabel