Ton Gestalt geben
Frau Traupe erwartet im Wohnzimmer schon die Gäste, die heute hoffentlich offen dafür sind, etwas Neues auszuprobieren. Kleine bunte Tonschalen stehen bereit – gefüllt mit Wasser und Holzstempeln, in welchen einfache Symbole wie eine Blume, Spiralen und geometrische Muster geschnitzt sind. In der Mitte des Tisches fallen eine Vase mit orangenen Tulpen und ein großer Block aus hellem Ton ins Auge.
Ein Gast wartet schon gespannt auf den Beginn des kreativen Gestaltens. „Ich hab´ kein Konzept“, vertraut er Frau Trabel, der Sozialpädagogin, die dieses Nachmittagsangebot begleitet, leise an. Trotzdem wendet er sich gleich mit der Frage nach der Herkunft des Tons an Heidrun Traupe, und es entwickelt sich ein lockeres Gespräch über Tonqualitäten und das Vorkommen von Ton in der Gegend, in der der Gast aufgewachsen ist. Unterdessen kommen zwei weitere Gäste hinzu, beide mit der Aussage, dass sie noch nie mit Ton gearbeitet haben und nicht wissen, ob sie das können. Etwas Unsicherheit schwingt neben der Neugier in der Stimme mit. Für Frau Traupe eine gute Gelegenheit zu betonen, dass alles sein darf, und erstmal alle entspannt ankommen können, um auszuprobieren und sich vielleicht auch überraschen zu lassen von dem, was dabei entsteht.
Der Prozess steht im Vordergrund und nicht das fertiges Produkt. Es kann etwas gestaltet werden, dass sich verändern darf.
So ermutigt, blitzt ein Lächeln in den Gesichtern der Gäste auf und sie drücken erleichtert aus, dass sie offen sind, einfach mitzutun. Frau Traupe schafft mit einleitenden Impulsen eine angenehme Atmosphäre, in der es leichtfällt zu experimentieren, und auch miteinander in Austausch zu kommen.
Zunächst teilt sie jeder Person ein Stück Ton aus und regt an, eine Kugel zu formen. „Im Entstehen werden viele Sinne angesprochen, vor allem Tast- und Spürsinn, die so elementar wichtig für den Menschen sind,“, erklärt sie dabei freundlich. Sie fragt nach Worten, die das Fühlen und Spüren des Materials ausdrücken und lädt auch ein, das Gewicht des Tons wahrzunehmen. „Weich, kühl, glatt, frisch, geschmeidig“, fällt den Teilnehmern dazu ein. Als Nächstes geht es darum, mit dem Daumen ein Loch in die Kugel zu drücken und die Höhlung so weit zu vertiefen bis eine Art Schale entsteht. So einzigartig wie die Menschen am Tisch, sind auch die Schalen, die jetzt geformt sind und auch gefüllt werden können. So entstehen weitere kleine Objekte, die in die Schalen gelegt werden, und Anlass für lockere Gespräche geben. Heiter und phantasievoll raten alle miteinander, was manche Formen bedeuten könnten. Dabei entspinnen sich kleine Geschichten, die sich mit freudigen, berührenden und auch nachdenklichen Erinnerungen vermischen. Ein Gast formt viele kleine Kugeln und füllt damit sorgfältig seine Schale. Er erzählt dabei, wie dankbar er ist, dass seine Lebensgefährtin ihm bei jedem Besuch sein Lieblingsobst, nämlich frische, weiße Trauben, mitbringt. Diese kleinen Kügelchen, die er stolz in seine Schale legt, repräsentieren das.
Dankbarkeit für eine neue Erfahrung
Zum Abschluss betrachtet jeder ganz gründlich sein eigenes Werk und das der Anderen - ohne zu werten. Jeder Teilnehmer entscheidet für sich, ob er es wieder zusammenkneten, trocknen oder Frau Traupe zum Brennen mitgeben möchte. Alle sind sich einig, dass dies heute eine interessante und auch neue Erfahrung ist, und gehen oder rollen zufrieden in ihre Zimmer, um sich nach getaner „Arbeit“ auszuruhen.
Fotos: Susanne Trabel